Als ich am Montagmorgen ins NZB kam, wuselten bereits die ersten Kinder durchs Haus. Die Ferienspiele 2011 nahmen ihren Lauf. Man konnte sofort sehen, wer hier bereits häufiger zu Gast war – selbst ich entdeckte viele bekannte Gesichter. Interessant war zu beobachten, wie sich „die Neuen“ verhielten. Etwas abseits, schüchtern, noch recht eng an Mamas Rockzipfel, eben abwartend.
Wir trafen uns zuerst an der Feuerstelle. Das Feuer war schon entfacht und wir stellten uns gegenseitig vor. Neben mir saß Angel, der für das Feuer zuständig war, er flüsterte mir zu, dass er sich schon unheimlich auf das Frühstück freuen würde. Ich verstand diesen Wink, auch ich freute mich auf frische Brötchen, Honig, Marmelade und einen leckeren Kaffee.
Der erste Tag ist für uns immer besonders anstrengend. Es gilt genau zu beobachten, wer da nun für die nächsten 4 Tage unser Feriengast ist und wie sie so alle drauf sind. Gibt es einen, der einen kleinen Schubs braucht, vielleicht auch einen tröstenden Arm um die Schulter oder aber auch: Wer ist hier der Chef? Wen sollte man ein bisschen mehr im Auge haben?
Als ich im Garten nach Kräutern schaute, entdeckte ich zwei Mädchen, die die Eidechsen im Gewächshaus beobachteten. Sie waren fasziniert von der leuchtend grünen Farbe der Zauneidechse. Gerade rollte sie die Zunge und leckte am Wassertropfen. Auch Herr Bergmann, unser Hausmeister freut sich auf dieses morgendliche Schauspiel, nachdem er die Pflanzen gegossen hat. Ich hätte selbst noch gerne geschaut, aber meine Kochkids warteten in der Küche auf mich. Sie schnippelten Paprika und Zucchini für die Gemüsepfanne mit Eiernudeln.
Am Nachmittag trafen wir uns zu unserem Beobachtungspazierung rund um die Erlache. Erst einmal wollen nicht alle Kinder mitlaufen, aber als sie die ersten Entdeckungen machten, z.B. die Kaninchenbauten oder die Steinkauzniströhre, war kein Jammern mehr zu hören. Sie liefen… blieben stehen… schauten,…träumten und vergaßen völlig die Zeit.
Das ist mein Ziel – Zeit haben und absichtslos gehen und dabei sich als ein Teil der Natur fühlen können.
Zum Abschluss noch ein bisschen über die Holzstangen (Fahrradständer) am Eingang balancieren… Schön war´s!
Am Dienstag war nach dem Frühstück erst einmal Fußballspielen angesagt. Valentin und Jan hatten ebenfalls Spaß an der Bewegung und wer nicht sportlich unterwegs war, saß wieder, entweder im Werkraum beim Eier Bemalen und Töpfern oder hatte ein Kochtuch um und war somit im Küchenteam engagiert. Während der Pizzateig schon in der Küche ging, wurden die Zutaten vorbereitet. Ananasstückchen, Paprika, Champignons, Rucola und Käse… kleinschneiden. In der Küche wurde es später richtig laut, während wir den Pizzateig „luftig“ schlugen. Ich konnte Tanja nicht überreden (sie ist sehr schüchtern) mal so richtig dabei laut zu werden. Aber immerhin hat sie nach einiger Zeit den Teig richtig auf die Ablage gehauen und Spaß schien es ihr auch noch zu machen. Tim hätte 6 Stück Pizza verdrückt, sagte er, dafür stand er gerne in der Schlange für die nächste Runde.
Interessant für mich war die Schlussrunde des heutigen Tages. Wir trafen uns im Schatten der Birkenbäume im Sand. Für mich auffällig, dass es kleine Grüppchen gab, die sich gegenseitig den Platz freihielten und so fragte ich nach, ob sie denn schon neue Freunde gewonnen hätten. Dabei hatte ich ein Kind besonders im Auge. Ich weiß, dass dieser Junge in der Schule sehr gehänselt wird. Er wirkt altklug, (ich habe gehört, er sei hochbegabt) und tut sich etwas schwer mit gleichaltrigen Kindern. Doch genau ihn wählten 3 Kinder als Freund aus. Auch Evin hat eine Freundin gefunden und sie ist richtig glücklich. Die beiden haben gleiche Interessen und verstehen sich super. Evin kennen wir schon länger und wir wissen, wie sehr sie sich eine gute Freundin wünscht. Das macht selbst uns Betreuer glücklich.
Gestern abend hatten wir in der Reflexionsrunde gehört, dass der Tag für alle Betreuer sehr anstrengend war. Ja, die Kinder fordern uns und wir sind genauso müde wie sie.
Wir machten uns aber auch klar, dass morgen der 3. Tag ist und dass dieser immer besondere Herausforderungen mit sich bringt. Einer sagte noch: „Fordern wir es mal nicht heraus.“
Heute war wieder schönes Wetter. Fast schon ist die Sonne zu stark und es erinnert eher an Sommerferienspiele. Wir hatten gestern extra noch darum gebeten, eine Kopfbedeckung mitzubringen und sich gut einzucremen.
Nach dem Frühstück stellten wir unser Programm vor. Sie teilten sich in die Aktionsgruppen ein. Die einen wollten keschern, die anderen wollten Eier färben oder am Feuer sitzen und schnitzen und es waren auch nicht wenige, die Thomas und Christian, die Köche des Tages, bei der Zubereitung der Linsensuppe und dem Stockbrotteig helfen wollten. Alle waren beschäftigt.
Als ich beim Mittagessen an der Feuerstelle fragte, wie denn so die Stimmung sei, machte mich Jan darauf aufmerksam, dass es ganz schön Zoff in den beiden Lagern gegeben hätte. Stimmt, bereits gestern ist uns aufgefallen, dass das sogenannte Lagerleben oben in den Hecken für alle je hier gewesenen Ferienspielkinder interessant ist. Gestern beschrieben die Jungs ihre Kämpfe noch eher als Spiel, aber heute sei es wohl eher „zur Sache“ gegangen. Die Jungs redeten sich heiß, wer, was, wann, wie zuerst gemacht hat und wie sie sich gewehrt oder verteidigt hätten. Nachdem einige Kinder regelrecht klagten, vertagten wir das Gespräch auf später. Ich wollte mich mit allen Beteiligten zusammensetzen.
Dazu gibt es ein kleines Ritual. Wir treffen uns immer an einem ruhigen Ort. Jeder bekommt nacheinander das Wort und erzählt aus seiner Sicht. Höchst interessant, was sich da abspielte. Klar war: es gab zwei Lager, bestehend aus 3 oder 4 Kindern (nur Jungs). Die eine Mannschaft schickte den Jüngsten, in diesem Fall den kleinen Bruder, der die anderen etwas „aufmischen“ sollte. Was ihm scheinbar gelang. Die anderen griffen an. So war es gedacht und so geschah es auch.
Jetzt wird es spannend. Der eine merkte, dass er es in der anderen Gruppe mit „Stärkeren“ zu tun hat und läuft ins andere Lager über. Er bietet an, als Geschenk etwas Besonderes mitzubringen: „die Superwaffe“ aus dem Lager der anderen. In der Tat hatten die anderen eine tolle Waffe gebaut, auf die sie stolz waren, die sie aber auch unter allen Umständen verteidigten würden. Er schafft es also nicht, die Waffe abzuschwatzen. Und es war schwer für ihn, das zu akzeptieren, so formulierte er es auch.
Als die Kinder sich gegenseitig ihre Absichten erklärten, es war auch noch von Spionen und Überläufern die Rede, dachte ich: wie im richtigen Leben. Auch die Kinder merkten, wie hier taktiert wurde und daraus entwickelte sich ein wirklich gutes Gespräch untereinander. Als jeder alles gesagt hatte, und sie waren richtig bei der Sache, suchten wir nach einer Lösung. Jeder sollte einen Vorschlag machen und ich war mir sicher, dass es gute Vorschläge sein würden. Zum Beispiel kam als Antwort: „Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Wir merken es schon, wenn es wieder ernst wird, dann besprechen wir erst einmal die Lage.“ Die besten Antworten kamen dennoch von den Kleenen. Zum Beispiel sagte Sam: „Wir sollen mal ein bisschen aufpassen, das muss ja nicht immer so tolle sein…“ oder Johannes: „ich mach das so, wenn es mir zuviel wird, dann sag ich einfach: ich mach nicht mehr mit!“ oder Lennart: „wir machen ein Signal aus, wenn aus Spaß Ernst wird…“
Hinterher zeigten sie mir stolz ihre Lager, sie wollten mir eigentlich zeigen, wo sie ihre Grenzen ziehen wollten, aber als ich sie nach den Grenzen fragte, sagten sie einvernehmlich: „wir brauchen keine Grenzen mehr!“