Es wäre im Naturschutzzentrum in diesen Tagen sehr, sehr still, wenn es da nicht unsere Spatzen gäbe. Natürlich hört man inzwischen auch die Nachtigall oder den Grau-und Grünspecht, aber unsere Spatzen sind wirklich nicht zu überhören. Gestern Nachmittag hab ich ein Stück Kuchen draußen gegessen. Ich stand zwischendurch mal auf, um im Garten nach dem Rechten zu sehen. Als ich zurück kam, waren alle Kuchenkrümel gegessen. Mir war schnell klar, wer das war.
Auch wir MitarbeiterInnen beobachten bei unserem täglichen Teamgespräch draußen, wie munter unsere Spatzen schon früh am Morgen sind. Heute morgen erlebten wir eine Szene, bei der mehrere Spatzen richtig lautstark miteinander zeterten.
Im Team befassen uns schon seit längerem mit unseren geselligen Mitbewohnern. Unsere Spatzen laden regelrecht ein, sie als Vertreter der Gebäudebrüter genauer ins Visier zu nehmen. Beate, unsere Biologin, hat sich zusammen mit Leonie und Michale mit ihrer Biografie und Lebensweise auseinandergesetzt. Ich habe das Thema als Idee aufgegriffen und eine Geschichte über ihre Beziehung zu uns Menschen geschrieben. Diese haben wir im vergangenen Jahr auch schon den Kindern erzählt, die hier mit der Kita oder Schule zu Gast waren.
Zunächst zitiere ich Beate. Sie lässt Hans, den Haussperling zu Wort kommen.
„Obwohl wir Spatzen als unverwüstlich galten und früher in allen Gärten lebten, sitzen wir heute auf dem absteigenden Ast. Das heißt, es gibt nicht mehr so viele von uns, so dass wir schon auf der Vorwarnliste der Roten Liste gefährdeter Brutvögel Deutschlands zu finden sind.
Ich wünsche mir mehr Gärten in denen wir Spatzen unsere Nester bauen dürfen. Moderne Häuser lassen uns keinen Raum zum Nestbau. Hier wünschen wir uns Nistkästen und eine verwilderte Ecke im Garten, wo wachsen darf, was will und wo es viele kleine Krabbeltiere gibt. Denn wir brauchen Insekten als Nahrung für unsere Kinder.
Wenn unsere Jungen aus ihren Eiern geschlüpft sind, sind sie noch so klein, dass sie weiches Futter benötigen, also kleine Insekten und Raupen. In vielen Gärten finden wir nicht genug Insekten.
Bei guter Fütterung wachsen unsere Spatzenkinder aber schnell, so dass sie nach 16 Tagen fast alle gleichzeitig ausfliegen können.“
Und hier meine Geschichte mit anschließenden Spatzeninterview.
Die Geschichte erzählt von einer Spatzenkolonie, die seit 15 Jahren hier im Naturschutzzentrum ihr Zuhause gefunden hat. Ein paar kluge Menschen haben sich wohl gedacht, dass es genug Platz gäbe unter dem Dach des NZB, um den Spatzen eine kostenfreie Wohnung zur Verfügung zu stellen. Hier gebe ich den Spatzen eine Stimme und lass sie erzählen:
Tierfreund: „Wie geht es euch hier bei uns im NZB? … .. Oh. Bitte nicht alle auf einmal. Wie wäre es mit dir!“
Hans, der Spatz: „Ach, das ist gar nicht so einfach zu beschreiben, wie es uns hier geht. In den letzten Jahren wird es ganz schön eng und heiß unter dem Dach. Aber, Ernst beiseite. Wir fühlen uns sehr wohl hier. Ihr könntet das auch merken oder besser gesagt hören. Denn immer wenn es uns gut geht, dann pfeifen wir es auch vom Dach. Wir können ziemlich laut unsere Stimme erheben. Manchmal halten sich die Menschen deshalb schon die Ohren zu oder setzen sich woanders hin, weil sie sich nicht mehr unterhalten können. Das ist uns aber egal.“
Tierfreund: „Wir freuen uns, wenn wir euch sehen und hören. Gibt es etwas, was ihr bei uns Menschen beobachtet?“
Hans, der Spatz: „Da gibt es einiges zu sagen. Wenn ihr Menschen in der Nähe seid, dann fühlen wir uns nicht mehr ganz so frei und unbekümmert. Vor allem beim Baden fühlen wir uns stark beobachtet. Naja, wir wissen schon, dass von euch keine Gefahr ausgeht… Ähm keine? Ok, vielleicht muss ich mich korrigieren.“
Tierfreund: „Was heißt korrigieren?“
Hans, der Spatz: „Wenn ihr Menschen das Gelände wieder verlasst, wenn es wieder still wird, dann schauen wir nach, ob ihr auch alle euren Müll wieder mitgenommen habt. Haha. Wieder so ein Witz von mir. Natürlich haben wir kapiert, dass ihr, genau wie wir, gerne futtert. Wir müssen uns aber unsere Nahrung hart erfliegen, aber ihr macht einfach eure Brotdose auf oder füllt euren Teller mit Bergen von Leckereien.“
Tierfreund: „Ja, und weiter?“
Hans, der Spatz: „Nichts weiter. Dann fällt was runter oder bleibt was liegen und das schnappen wir uns. Ist ja viel einfacher für uns. Aber manchmal wundern wir uns auch über euch. Was euch alles so schmeckt, ihh.“
Tierfreund: „Ok, die Geschmäcker sind verschieden, aber warum wundert ihr euch?“
Hans, der Spatz: „Ja, bekommt ihr denn kein Bauchweh? Manchmal grummelt es ganz schön. Ein bisschen viel Süßkram. Da lobe ich mir doch mein Körnermüsli oder das zarte Fleisch einer Raupe. Aber ich will gar nicht ablenken. Manch buntes und hartes Essen kriegen wir gar nicht runter. Wird immer mehr von dem Kram. Wie nennt ihr das Zeug denn? Es knistert, glitzert und raschelt und schmeckt nach Nichts.“
Tierfreund: „Oje, du meinst die Plastikverpackungen. Aber die darf man doch gar nicht essen.“
Hans der Spatz: „Woher sollen wir das denn wissen. Manches nehmen wir dann einfach nur als Wohnungseinrichtung.“
Tierfreund: „Ich glaube, ich habe heute etwas Wichtiges verstanden. Ich werde den Gästen des NZB eine Botschaft an die Wand hängen und alle Kinder informieren. Hilf mir, was soll ich ihnen schreiben?“
Hans, der Spatz: „Ok. Also, ihr seid auf jeden Fall alle herzlich willkommen. Und ihr dürft so laut sein, wie ihr wollt, wir dürfen das nämlich auch.“
Tierfreund: „Oh, da habe ich einen Einwurf. Da bin ich nicht ganz deiner Meinung. Ich finde, man muss nicht immer laut hier sein. Die Kinder hier lieben auch die Stille. Da kannst du mit deinen Freunden noch etwas lernen.“
Hans, der Spatz: „Mal sehen, aber weiter geht´s im Text. Freut euch, wenn euch eure Eltern ein gutes Frühstück eingepackt haben. Es macht auch nichts, wenn für uns nichts übrig bleibt, weil wir sowieso lieber, Körner, Samen, Insekten oder Raupen fressen. Wenn ihr dann satt seid, dann packt schnell alles wieder weg.
Wenn ihr uns mal aus der Nähe betrachten wollt, dann gebe ich euch einen Tipp. Setzt euch ruhig hin, bewegt euch nicht, das erschreckt uns nur, und habt etwas Geduld. Vielleicht treffen wir uns ja auch zu einem Stell-dich-ein auf der Wiese. Vergesst nicht, wir sind eure Freunde und brauchen euch. Das mit den Futterzapfen im Winter, ein Energiecocktail für uns, klappt doch schon prima.