Die Klimalotsen trafen sich am letzten Freitag, um zu spielen. Genauer gesagt, sie wollten das Klimasiedlerspiel (angelehnt an Siedler von Catan) spielen. Ich beschreibe es kurz.
Die Kids bilden Familien. Sie suchen sich einen Namen und werden von einem Spielleiter begleitet.
Ziel ist es, sich ein Haus zu kaufen und es einzurichten. Aber bitte klimafreundlich! Alles muss man erst einmal erwerben.
Dazu haben meine Praktikanten Moritz, Conrad und Aishu den ganzen Nachmittag im Haus Spielstationen aufgebaut, weil es draußen regnete. Als es im Sommer gespielt wurde, hatte ich nur vom Fenster aus mitbekommen, dass dieses Spiel die Teilnehmerinnen faszinierte und sie viel Spaß dabei hatten.
Heute wollte ich mit der Kamera dabei sein. Es bildeten sich zwei Gruppen. Eva und Beate teilten sich auf.
Zunächst musste man sich erst einmal anstrengen, um Rohstoffkarten zu bekommen. Zum Beispiel musste ein Spieler mit geschlossenen Augen Hindernisse überwinden, dabei haben ihn die anderen verantwortungsvoll mit Worten begleitet. Oder ein Stein musste von einem Schuh auf den Schuh des Nächsten transportiert werden, ohne dass er runterfiel. Es war ein munteres Treiben. Zwischendrin gab es eine Station mit Quizfragen zum Thema Klima. Als im Raum mal so richtig Stimmung war, kündigte Beate einen Wirbelsturm an. Danach ordnete sich einiges wieder.
Ich nahm die Position einer Beobachterin ein und stellte fest, dass eine Gruppe innerhalb kürzester Zeit ein Haus, eine Heizung, einen Kühlschrank und ein Auto kaufen konnte. Sie hatten dabei nicht aus den Augen verloren, was sie kauften, denn beim Kauf von Konsumgütern entstehen durch die Herstellung auch klimaschädliche Kohlendioxid Punkte. In diesem Fall gibt es Konsequenzen. 1 Punkt ist ein Holzstab. Damit bauen sie einen Turm. Fällt er um, kommt es zu einer Klimakatastrophe von der alle betroffen sind.
Es würde zuweit führen, wenn ich jetzt das ganze Spiel erklären würde… Mir ist wichtiger, die Entwicklung des Spiels zu beschreiben.
Ich beobachtete also, wie die eine Familie voller Konzentration und Ehrgeiz die Aufgaben erledigte und eine Anschaffung nach der anderen tätigte. Die andere Gruppe war eher „gut“ drauf. Sie hatten ihren Spaß, kamen aber irgendwie zu nichts.
Die einen bauten sich ein schönes Haus, richteten es ein, und das auch noch nach klimafreundlichen Aspekten, so dass Beate nur so staunte. Die anderen besuchten eine Station nach der anderen, es gab aber keine Punkte, die sie eintauschen konnten. Kein Haus, kein Auto, nix.
Dann wurde es spannend. Die fleißige Familie kam nicht umhin auch Negativpunkte zu sammeln. Langsam wurde der Turm höher, dann fiel er um. Ich habe den Augenblick genau miterlebt.
Die fleißigen Familienmitglieder waren zunächst erschrocken, die Spaßfamilie fing an zu lachen. Sie hatten die Situation genau beobachtet.
An dieser Stelle stoppte ich das Spiel und bat alle um eine Zusammenkunft, damit wir besprechen konnten, was gerade passierte. Die Spaßgruppe fragte ich zuerst. „Naja“, sagte Martin (alle Namen geändert), „wir haben halt mehr gelacht“. „Ist doch ein Spiel“. Ein anderer sagte etwas ernsthafter hinterher. „Wir waren irgendwie zu flapsig, und haben das nicht so ernst genommen“. Wieder ein anderer aus der Gruppe sagte: „Ha, das ist so ähnlich wie in den USA“. – Wie in den USA? – Aha, sagte ich. Der Vergleich ist interessesant.
Auf einmal war Stille. Hat es da schon bei einigen klick gemacht?
Die „Fleißigen“ fragten nach, ob man jetzt weiter spielen könne, sie wollten weiter Punkte sammeln, aber ich sagte, dass mir die Analyse jetzt wichtiger sei.
Im Gespräch wurde langsam klar, dass wir alle auf demselben Planeten wohnen. Es bringt nichts, wenn der eine seinen Garten schön pflegt und einen Zaun darum macht, der Nachbar aber alles verkommen lässt. Wenn der Müll auf dem Grundstück liegt oder er gar Gift einsetzt, und dabei auch sein eigener schöner Garten Schaden nehmen könnte. Oder wenn ein Land viel für Natur- und Umweltschutz tut, aber das Nachbarland baut weiter auf Kohle und Atomstrom…
Was ist jetzt zu tun? Sich gegenseitig beschuldigen. Die Älteren der Spaßgruppe sagten dann schon, dass das so eigentlich nicht ginge. „Das sei echt nicht fair“.
Ihr Lachen wurde langsam zu einem Verlegenheitslachen. Wir stellten weiter im Gespräch heraus, dass es auch den „Fleißigen“ nichts nutzen würde, wenn sie die anderen ignorierten und nur ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen würden. Die Spaßvögel merkten, dass ihr Spaßfaktor für das Spiel der größte Klimakiller war. Es war ein „Nicht-ernst-nehmen“ der Anderen und der Spielregeln.
Jetzt ging es um eine weitere Übersetzungen dessen, was man aus diesem Spiel wirklich in die Realität übertragen könne. Eine heiße Phase. Da gingen auch anderen verschiedene Lichter auf. Und man kam zu einem Ergebnis. Was nützt es? Weder das Horten von Rohstoffen, noch die Ignoranz der Realität helfen das Klima zu retten. Wir müssen uns zusammen tun. Wir müssen miteinander reden. Wir brauchen Mitdenker und solche Menschen, die in der Lage sind, Ungerechtigkeit zu erkennen und die sich für Gerechtigkeit einsetzen, so ihr Tenor. Ich war richtig stolz auf die Kids.
Das Spiel entwickeln wir intern jetzt weiter. Wir werden eine Beobachtergruppe, vielleicht Wissenschaftler oder neutrale Beobachter, einbauen. Die schauen dann, wie sich das Geschehen entwickelt und wenn sie merken, dass sich die Situation in der einen Familie gut entwickelt, dann schicken sie jemanden hin, der sie bestärkt und nachfragt, damit er von ihnen etwas lernen kann. Sie machen aber auch darauf aufmerksam, wenn etwas schiefläuft.
Wir haben `ne Menge gelernt. Erwachsene wie Kinder. Das hörte ich auch in der Schlussrunde heraus. Da gab es niemanden, der nicht irgendwie ausdrückte, dass er heute einiges über das wirkliche Leben gelernt hätte.