Wir trafen die letzten Absprachen. Gleich würden sie kommen, die Kinder
aus der Gruppe: Kinder stärken. Ich spüre, dass sich Annika und Jannine genau wie ich auf die Kinder freuen. Ob Eva ( Namen werden geändert) unser einziges Mädchen eine Freundin gefunden hat? Wir haben ihr erlaubt, eine Freundin mitzubringen, sozusagen als Verstärkung.
Fast pünktlich können wir beginnen. Nicolai sagt: „Ich hatte eigentlich keine Lust gehabt, wollte lieber Computer spielen, aber ich bin trotzdem gekommen“. „Freiwillig“?, wollen wir wissen. „Schon“, sagt er. Die anderen haben sich auf den Termin gefreut. Nur die „Neue“ schaut etwas unsicher. Dafür strahlt ihre Freundin Eva umso mehr.
Zwei Jungs fallen auf, weil sie kaum jemanden in der Begrüßungsrunde ausreden lassen können. Sie glänzen mit coolen Sprüchen oder abfälligen Bemerkungen. Ich gebe zu Bedenken, dass das auch deshalb so sein könnte, weil sie unbedingt ihrer Rolle als Clown, Cooler oder Angeber gerecht werden müssten. Was viele der Kinder aber vielleicht gar nicht wüssten, sei, dass Kinder, die so eine Rolle inne hätten, in Wirklichkeit ein sehr geringes Selbstwertgefühl hätten. Und eben gar nicht cool, sondern eher sensibel und verletzlich sein könnten. Ob das bei ihnen auch so sei, könnte ich nicht wissen, aber wir könnten es ja erfahren.
Ja, das wollten sie genauer wissen. – „Nehmen wir mal an, auf der Skala von 0 bis 10 – wie hoch ist dein Selbstwert“, war deshalb die Frage. Zehn bedeutet: ich strotze nur so von Selbstbewusstsein. Aufgabe war, seine Antwort auch, so gut es geht, zu begründen. Unglaublich, was da dabei heraus kam. Nicht nur, dass ich glaube, dass sich alle richtig eingeschätzt hätten, sie haben auch sehr viel von sich preisgegeben. Und unser kleiner cooler „Dazwischen-Schwätzer“ schätzte sich mit einer zwei auf der Skala ein. Das war mutig und wurde auch von den anderen so honoriert.
Diese gemeinsame Runde am Anfang dauert verhältnismäßig lange, aber sie ist sehr wichtig, weil sie Vertrauen schafft und dem gegenseitigen Kennenlernen dient.
Anschließend spielten sie gemeinsam Fußball, bevor die einen im Werkraum mit Ton und Streichhölzern an einer Feuerburg bauten und die anderen Stockbrotteig kneteten und das Feuer an der Feuerstelle zum Lodern brachten. – Eindeutig, diese Kinder genießen die Zeit hier und wachsen zu einer Gemeinschaft zusammen.
Mein Part in dieser Zeit ist, dass sich die Kinder bei mir treffen können. Ich nehme mir Zeit für jeden Einzelnen. Niemand muss. Jeder kann. Alle wollten.
Das Thema wurde angelehnt an unseren Tagesschwerpunkt – Feuer. Feuer kann man nicht nur sehen, man kann es auch in sich tragen und spüren. Meine Frage: Wo spürst du das Feuer in dir?
Sie werden es nicht glauben. Sobald jeder verstanden hatte, worum es geht, sprudelte es nur so aus ihnen heraus:
Hier ein paar Auszüge: Ich spüre das Feuer in mir, wenn ich…
Springseil springe… etwas cooles gemacht habe… mit meinem Papa klettern gehe… experimentiere… wir in der Schule Themen besprechen, bei denen ich mich auskenne… Computer spiele… mit dem Paul spielen kann… draußen spielen kann…beleidigt werde… ganz schnell renne… wenn ich ausflippe… wenn ich satt bin… wenn ich zeichne und was falsch mache…böse bin…in der Natur bin … Traktor mitfahren darf… Wenn ich Pflanzen pflanze, dann spüre ich, dass noch mehr Lebewesen da sind und nicht nur wir Menschen.
Das waren unglaublich schöne Momente für mich mit den Kindern. Dieser Junge, der das mit den Pflanzen sagte, faszinierte mich. Während er sprach, leuchteten seine Augen. Und ich glaube, er war froh, dass es da jemanden gab, der sich für diese Leidenschaft interessierte.
Als ich ihm sagte, dass er immer einen Platz im Naturschutzzentrum haben werde und dass vielleicht auch einmal die Zeit kommt, in der er spürt, dass er uns als Praktikant oder Mitarbeiter unterstützen möchte, da sagte er wieder mit leuchteten Augen: „Ja, das wäre schön“. Es war wie eine Liebeserklärung. Auffällig ist, dass sich alle Kinder besonders dann wohlfühlen, wenn sie spüren, dass sich jemand für sie wirklich interessiert.
Vier Stunden gehen schnell vorüber, wir waren zufrieden und glücklich und beim Lagerfeuer wollten alle, dass ich, mit kleinen Ausnahmen (dann, wenn es zu persönlich war), vorlese, was sie gesagt hatten. Es kam uns vor, als wären sie selbst erstaunt, wie ähnlich die Aussagen von den anderen ihren eigenen waren. Ähnlich und doch wieder ganz individuell und einzigartig. So einzigartig wie diese Kinder es sind.
Wir BetreuerInnen freuen uns über diese Erfahrungen. Sie machen uns selbst glücklich und ermutigen uns, weiterhin mit dem eigenen Feuer in uns, diesen Kindern ein Vorbild zu sein. Wir glauben, dass Zuhören, Regeln und Wertschätzung wichtige Faktoren für eine gute persönliche Entwicklung sind.