Vor einigen Wochen fand Gerhard ein geschliffenes Steinbeil aus der Jungsteinzeit, das ist so in etwa drei bis fünf tausend Jahre alt. Ich hätte das für einen ganz normalen Stein gehalten, aber er freute sich so sehr über diesen Fund, der bei Baggerarbeiten zu Tage kam. Er freute sich auch noch Tage später und studierte fleißig die passende Fachlektüre dazu. Immer wieder rollte er seinen Stein in seinen Händen, um dann wieder nachzudenken oder nachzulesen. Ich kenne ihn schon lange genug, um zu wissen, dass ihn dieser Fund wirklich beschäftigte.
Und weil, dank Corona, die beruflichen und ehrenamtlichen Termine, sich zurzeit sehr in Grenzen halten, blieb auch mal die Zeit für ein Experiment.
„Kann ich bitte eine Dose von dir haben“, so begann dieser Prozess. Ich möchte Birkenpech herstellen. Ich fragte nicht weiter nach und opferte gerne meine Keksdose. War eh zu groß, ich back lieber kleinere Kekse.
In einem Karton bewahrte er bereits Birkenrinde auf. Diese hatte er zuvor an einem Frühlingsabend in mühevoller Kleinarbeit am NZB in der Wildnis geerntet. Zwei Birken waren sehr morsch und sind nach dem letzten Sturm nicht mehr zu erhalten gewesen.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass aus dieser Rinde, die er sehr ordentlich einschichtete, mal ein steinzeitlicher Kleber werden sollte, aber was soll´s, er soll seinen Spaß haben.
Ich würde ihm dann hinterher erzählen, dass ich das auch schon mal mit Wilfried bei der Steinzeitwerkstatt gemacht habe, leider mit einer mageren Ausbeute, also nicht der Rede wert.
Den Kindern kam es damals auf ganz andere Dinge an und mir blieb der Sinn auch verborgen.
Am Samstagabend war es dann soweit. Ich beobachtete aus der Ferne seine Betriebsamkeit. Eine leere Wurstkonserve verbuddelte er in der Erde an der Feuerstelle, auf die stellte er seine Keksdose mit wertvollem Inhalt, zu erwähnen wäre aber noch, dass die Dose am Boden ein Loch hatte. Aus diesem Loch sollte dann das Birkenpech in den unteren Behälter fließen. Damit alles schön abgedichtet war, schmierte er um die Verbindungsstelle etwas Lehm.
Jetzt wurde es richtig heiß. Gute eineinhalb Stunden loderte nun das Feuer auf hohem Niveau. Eine sehr besinnliche Zeit, während dieser ich mich mit einem Liegestuhl und einem Glas Wein dazu gesellte. Das war nach meiner Vorstellung. Gerhard wäre in der Steinzeit auch schon ein guter Jäger und Handwerker gewesen. Auf jeden Fall kann er gut beobachten, hat eine große Ausdauer und Begeisterung und das sind schon mal gute Voraussetzungen.
Dann wurde es ernst. Die Zeit lief ab. Ich überlegte mir schon, wie ich ihn hinterher trösten könnte, ganz ehrlich, ich war skeptisch.
Er räumte die abgebrannte Glut zur Seite und wartete… Mir hätte es schon viel zu lange gedauert, ich wollte endlich wissen, ob das nun gelungen war oder nicht.
Dann kam der feierliche Moment. Mit Handschuhen hob er die verkohlte Keksdose ab. Und dann wartete ich nur noch gespannt auf die Miene meines Mannes.
Er hat so einen bestimmten Blick, wenn etwas gut gelungen ist oder wenn er einen tollen Fund gemacht hat und … ja, dieser Blick sagte alles. Freude, Erstaunen, Stolz, das sind die Worte die mir spontan einfallen und in der Tat, es war wirklich ein besonderer Moment, auch für mich. Die halbe Dose war mit einer schwarzen Flüssigkeit gefüllt. Das Wasser musste noch verdampfen und in dieser Zeit konnten wir die Keksdose öffnen. Das war auch interessant. Alles war verkohlt und raschelte wie Seidenpapier.
Respekt Gerhard! „Gut gemacht Opa“, würde sein Enkel jetzt sagen.
Natürlich kommt jetzt Teil 2. Er will sich so ein Steinbeil selbst herstellen und es mit diesem Birkenpech in einen Schaft einkleben, wie das die Steinzeitler auch so gemacht haben. Ich bin sicher, dass ihm das auch nicht nur wieder Spaß macht, sondern wirklich auch gelingen wird.