So nun die Fortsetzung von gestern. Vielleicht zum allgemeinen Verständnis. Wir haben 4 Lernstationen vorgesehen, die die Kinder im Wechsel einer halben Stunde durchlaufen. Ich war zunächst mit einer Gruppe von Schülern beim Vortrag dann gingen wir in den Werkraum.
Dort wartete Annika mit den kleinen Lebewesen aus dem Teich und dem See. Die Kinder standen vor den Behältern und wussten erst einmal gar nicht, wonach sie suchen sollten. Da, es bewegte sich was. Ein Rückenschwimmer zeigte sich zuerst. Sofort waren die Kinder still und konzentriert gespannt. In diesem Augenblick öffnete sich auch die Teichmuschel. Fasziniert beobachteten die Kinder wie die Muschel, durch die Mundöffnung, aus dem Wasser herausfilterte, was sie zum Leben braucht. Ein kleines Highlight war für Annika selbst die Larve einer Köcherfliegenlarve. Die Kinder fragten: „Die sieht wie eine Biene aus.“ Annika erklärte, dass die Köcherfliegenlarve einen empfindlichen Hinterleib haben und sich deshalb schützen müssen, deshalb bauen sie sich ein Haus. Das Besondere ist, dass jedes Haus ein kleines Kunstwerk ist, weil sie zum Bauen nehmen, was sie vorfinden.
Nachdem Annika auf die Großlibellenlarve, den Gelbrandkäfer, den Rückenschwimmer und andere kleine Lebewesen aufmerksam machte und die Kinder dafür sensiblilisierte, durften sie sich ein Lebewesen unter dem Binokolar ansehen. „Huch“, sagte ein Junge, er wich erstaunt zurück, „das sieht ja (durch die Vergrößerung) wie ein Löwe aus.“
Beim Fotografieren fiel mein Blick auf einen Jungen. Sein Blick ließ vermuten: „das ist mir alles nicht ganz geheuer“, aber es war auch ein Ausdruck von Faszination in seinem Gesicht, so dass ich meinen eigenen Blick nicht mehr von ihm abwenden konnte. Er wollte gar nicht mit den Insekten und Käfern in Berührung kommen. Annika hat es bemerkt und ihm einen Gelbrandkäfer unter das Bino gelegt. Er sah aus, als würde er in einer Geisterbahn sitzen. Neugierig und doch erschrocken starrte er auf den Becher. Er zittert, schaut mit einem Auge, weicht zurück, schaut wieder, erst hatte er seine Hände stocksteif am Körper, später nimmt er zwei Finger und berührt vorsichtig den Becher, er sucht meinen Blick. Ich komme, er sagt: „der läuft nicht.“ Doch plötzlich bewegt er sich, er erschrickt so sehr, kann aber den Blick nicht lassen.
Andere Kinder gehen etwas natürlicher damit um. Ich höre wie ein Junge sagt: „ich geb mein Tier wieder frei – es soll Gesellschaft haben.“ „Alter, was hab ich denn da“, schwelgt hingegen Julian. Er kann seinen Fund nicht zuordnen. Annika hilft ihm dabei. „Ok, wieviel Beine?“ „Sechs, also ist es ein?“ „Insekt!“ „Und jetzt suche anhand des Schlüssels (gemeint ist nicht ein Hausschlüssel, sondern ein Bestimmungsschlüssel) das richtige Insekt.“ Andere Stimmen und Beobachtungen: “ Das sieht voll cool aus!“ Die Mädchen quitschen eher und die Stimmen sind schrill, wenn sie durch das Bino schauen.
Man spürt die Leidenschaft und die Begeisterung. Es ist ein Gefühl von In-sich-versunken-sein. So wie bei Justus. Er hat zwei Rückenschwimmer im Beobachtungsglas. Jetzt stellt er es unter das Bino. Und schaut und wartet. Worauf wartest du, wird er gefragt: „Pssst, ich warte darauf, dass sie sich paaren!“ Da hätte er lange warten können, was nicht unbedingt Schlecht ist, aber die beiden hatten einfach keine Lust…
Als der erste Hunger gestillt war, konnte man beobachten, dass sich die Möglichkeiten vor Ort auch für andere Experimente eignen. So legte Marvin seine Hand unter das Bino und erschrak zunächst. „Ach du liebe S…“, rief er seinen Freund, „komm mal, was ich für Riesenhände habe!“
Oh Schreck, alle sind still, als wieder ein Schüler rief: „Ich glaub die ist tot. Die rührt sich nicht mehr.“ Bedauern, Mitgefühl. Annika nimmt die leblose Larve und legt sie unter das Bino. „So können wir ganz in Ruhe die Fangwerkzeuge anschauen.“ Sieht richtig wie ein Monster aus, aber der Ruhezustand hielt nicht lange, die Larve bewegte sich wieder und die Kinder waren erleichtert.
Wie gut das Annika alles so gut im Griff hat. Sie hat ein Auge auf die ihr anvertrauten Lebewesen und hat auch ein Auge auf die Kinder. Es gehört unbedingt dazu, dass sie mit den Tieren in Kontakt kommen, aber ich konnte beobachten, dass Annika mit ihrer sensiblen Einführung einen wertvollen Grundstein für einen vertrauensvollen Umgang mit den Tieren gelegt hat.
Jetzt war die Zeit um und die Kinder durften zur 3. Station. Da wartete bereits Klaus, der sie mit den Molchen, Kröten und Fröschen bekannt machte. Man merkte, wie sich ihr Wissen in der Zwischenzeit mehrte, sie konnten schon richtig zuordnen und ihre Wissbegier hielt an. Als Klaus in die Runde fragte: „Wer traut sich mal, einen Molch auf die Hand zu nehmen, gingen aber dann doch nicht so viele Hände hoch. Julian traute sich und es ist ein wunderschöner Augenblick für mich, dies zu beobachten. So viel Liebe und Wertschätzung. Der Junge, von dem ich schon ausführlicher berichtete, der nichts berühren will, der stand im großen Abstand hinter der Gruppe. Das Ganze war noch ungeheuerlicher für ihn. Aber ich sah, wie er einen Schritt vor und wieder zurück ging. Dann hielt er seine Hände so, als hätte er ebenfalls ein Tier in den Händen. Gemeinsam ging ich mit ihm etwas näher heran, aber einen Sicherheitsabstand mussten wir trotzdem einhalten.
Bei der letzten Station draußen ging dann alles rund ums Spiel. Sie tobten sich aus, übten sich im Team und im Paarlauf. Es machte einfach nur Spaß.
Die Gruppe war mir sehr ans Herz gewachsen. Ich dankte der Lehrerin und den Kindern für ihr Kommen. Ich fragte in die Runde: „Kommt ihr mal wieder?“ und dann war ich noch einmal sehr gerührt. Der Junge, der am meisten Scheu hatte, rief voller Erwartung: „Wann?“
Heute war der letzte Tag für Schulen und Kitas. Wir bekamen von vielen Kindern und LehrerInnen die Rückmeldung, dass es ein tolles Erlebnis war. Auch wir Verantwortliche sind der Meinung, der Aufwand hat sich gelohnt, so dass man an eine Fortsetzung im nächsten Jahr denken könnte.
Ach, Frau Lindmayer, Herr Eppler und Annika,
wäre ich doch noch Schülerin !!!