Immer wenn ich nicht regelmäßig schreibe, gäbe es eigentlich besonders viel zu sagen. Aber wie Sie sich denken können, ist es keine Frage des Wollens, sondern die Stimme der Vernunft, die mir am Abend sagt: „Geh jetzt heim, es reicht für heute. Der nächste Tag wird kommen – und mit ihm die Ferienspielkinder“.
Eine anstrengende, aber erfüllte Woche liegt hinter uns. Mit uns meine ich mein ganzes Team, welches in hervorragender Weise zusammengearbeitet hat und somit den Kindern (hoffentlich) unvergessliche Ferientage am Ende der Sommerferien 2010 schenken konnte.
Die Rückmeldungen der Kinder gestern im „Abschiedskreis“ bestätigen auf jeden Fall unsere Hoffnung diesbezüglich. Manche Kinder sagten: Schade, jetzt kann ich erst im nächsten Jahr wieder kommen, andere jubelten, weil sie für die Ferienspiele im Herbst wieder angemeldet wurden und Emma weinte, weil sie uns jetzt erst einmal für eine Weile nicht mehr sehen kann. Ihre Mutter meinte: „Emma konnte gestern abend gar nicht einschlafen, weil sie dieser Gedanke nicht losließ“.
Es lässt sich schon einmal über die Frage nachdenken, was diesen sichtbaren Erfolg ausmacht.
Ich denke, es sind vor allem die Erfahrungen der vergangenen Jahre, die wir regelmäßig reflektierten, um sie im nächsten Jahr in unsere Arbeit (mit dem Gefühl etwas optimiert zu haben), einfließen zu lassen. Zum Wohle der Kinder.
So konnten wir zum Beispiel beobachten, dass Kinder gerne die „Freiräume“ oder freien Räume draußen nutzen, um sich einfach „gehen lassen“ zu können. Sie wollen frei Entscheidungen treffen, wann sie was, wo und wie machen.
Wenn ich da an den Anfangszeit der Ferienspiele denke. Da haben wir zum Beispiel noch Referenten dazu geholt, die zu bestimmten Zeiten mit den Kindern pädagogische Angebote durchgeführt haben. Da wurde zum Beispiel gefilzt, gekeschert oder experimentiert. Wir dachten, es sei gut, wenn wir den Kindern solche Angebote machen, aber stattdessen hörten wir sehr häufig: „Und wann können wir wieder spielen? Wann haben wir wieder Zeit für uns?“ Das machte uns sehr nachdenklich.
Inzwischen bleibt die Verantwortung in einer Hand. Meine pädagogisch geschulten MitarbeiterInnen und ReferentInnen kümmern sich um das Wohl der Kinder. Und ich versuche ihnen, mit meinen Erfahrungen zur Seite zu stehen. So können wir noch besser sehen, was Kinder brauchen und lassen sie in ihrem eigenen Rhythmus mitentscheiden, wann sie welches Freizeitangebot nutzen wollen. Dennoch gibt es feste Zeiten, die der Vielzahl von „Individuen“, die Möglichkeit gibt, ein Wir-Gefühl aufzubauen, um voneinander zu lernen und zu profitieren.
So hat sich mit den Jahren eine Struktur aufgebaut, die allen Beteiligten Halt und Sicherheit gibt und sich wie ein roter Faden durch den Tagesablauf der Woche zieht.
Kinder brauchen Ordnung und Rituale an denen sie sich festhalten können. Das kann ein geregelter Tagesablauf sein, wie eine gemeinsame Morgenrunde, ein gemeinsames Frühstück, Küchendienst, gemeinsames Mittagessen und ein Freizeitangebot mit kreativen und und themenspezifischen Angeboten.
In der Morgenrunde spürt man sehr schnell wie die Gruppendynamik insgesamt ist und hier werden die Kinder auch von den Tagesangeboten erfahren. Manche Kinder sieht man täglich im Werkraum, andere eher im Außenbereich beim Toben, Schnitzen oder Hüttenbauen. In dieser Woche waren selbsthergestellte Spiele und der Bau von Booten der Renner. Natürlich wurden die Boote gleich getestet. Der See liegt in unmittelbarer Nähe und man konnte getrost auch noch am nächsten Morgen an der „Schwimmtauglichkeit“ feilen.
Auch an der Herstellung einer „Drachenblutheilsalbe“ waren sehr viele Kinder interessiert. Die Salbe soll zum Beispiel auch bei Insektenstichen oder bei kleinen Verletzungen helfen. Zwei Mädchen haben sich sogar absichtlich an der Brennnessel gebrannt und dann die Salbe aufgetragen. Freudig kamen sie gerannt. „Es hat gewirkt, es hat gewirkt!“
Andere Kinder entschieden sich (je nach Wetterlage), einsam oder gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen. Dabei erkundeten sie nicht nur das Gelände, sondern auch sich selbst. „Ich kann einen Purzelbaum in der Luft machen“, sagte ein Junge, der einen anderen beobachtet hat, wie dieser es mit Leichtigkeit im Sand vorführte. Und anschließend übten sie gemeinsam.
Andere waren mit einem Baumpilz beschäftigt, der sich wie ein Schwamm anfühlte, irgendwie unansehlich aussah, und sich veränderte. Erst war er rot und bald darauf wurde er schwarz. Erst ekelten sie sich (ich erschrak auch beim ersten Mal, als ich ihn berührte), dann siegte die Neugier.
Eine große Herausforderung in dieser Woche war natürlich auch die Ernährung. Über Jahre beobachteten wir, wie unterschiedlich das Essverhalten der Kinder ist. Wie können wir ihnen da gerecht werden! Die einen mögen alles nur kalt essen… die anderen alles nur getrennt… jedes einzelne Gemüse extra. Wieder andere mögen keine Süßspeise. Manche essen nur, was sie auch von zu Hause her kennen und andere essen gar nichts.
Wir fingen an, mit den Kindern darüber zu sprechen, „holten“ uns ihre Lieblingsrezepte ab, aber das können auch 20 verschiedene sein und nicht immer passten sie zu unserem Anspruch.
Entscheidend änderte sich die Lage, als wir die Kinder beim Kochen miteinbezogen. Viele Kinder hatten zum ersten Mal ein Messer in der Hand und erlernten dabei nebenbei, um welches Gemüse es sich handelte. Da könnte ich vielleicht von Erfahrungen und Erlebnissen berichten!!!
Durch die Fülle in unserem Bauerngarten können wir inzwischen noch mehr Frische auf den Teller bringen, allein die Vielfalt unserer Kräuter bereitet unverhofften „Genuss“. Vor Ort wird getestet, welche Kräuter den Quark oder die Suppe verfeinern dürfen. Und auch wenn sie es nicht glauben, unsere mittlerweile kultische Linsensuppe ist der Favorit. Liegt es nur daran, dass sie am offenen Feuer zubereitet wird?
In dieser Woche habe ich zudem erlebt, dass es überhaupt kein Thema war, Küchendienst zu übernehmen. Viele Kinder haben sich regelrecht „aufgedrängt“, die Küchenchefs (Christine, Thomas, Christian und Frau Makrigiannis) unterstützen zu dürfen.
Und so könnte ich schreiben und schreiben, aber es ist Samstag und ich habe einen freien Tag. Zwei persönliche Highlights dieser Woche möchte ich Ihnen dennoch nicht vorenthalten.
Gleich am Montagnachmittag hatten wir uns aufgemacht, dass Gelände rund um die Erlache zu erkunden. Dabei erzähle ich den Kindern immer auch kleine Geschichten, zum einen wahre Geschichten, z.B. die Entwicklung der Erlache, aber auch märchenhafte Geschichten, z.B. vom Franz, dem Frosch, dessen Leben an der Erlache schlagartig ins Negative umschlug, als die Angler einen Sonnenbarsch in die Erlache setzten und er fortan damit beschäftigt war, sich zu fragen, warum er nur grün sei und nicht so schön glitzert wie der Sonnenbarsch mit dem blauen Diamanten an der Backe.
Die Geschichte lässt sich so schön ausschmücken… ein Kind fragte mich, woher ich Franz kenne? Ich sagte ihm: „Das ist ganz einfach. Ich sitze ganz ruhig am Teich und beobachte die Tiere am Wasser, da ist mir Franz begegnet“. (Ein Mädchen kam im Laufe der Woche und sagte mir, sie hätte Franz gesehen, er würde wirklich so goldene Augen haben. Das hatte ich so gar nicht gesagt, aber ich glaube, sie ist auch in die Geschichte eingetaucht).
Natürlich kommen wir an vielen Stellen vorbei, bei unserer Runde um die Erlache, und immer wieder eignen sich Plätze, um von den Pflanzen und Tieren, auch von bedrohten Arten zu erzählen. Eine Geschichte ist die, von den Ringelnattereiern, die wir von einer Frau bekamen, welche auf ihrem Komposthaufen waren und die wir am Rande des Naturschutzgebietes ablegten. Ich fragte zum Beispiel: „Was glaubt ihr, was aus den Eiern schlüpfte? Es waren viele Eier… ungefähr so groß…. Es kamen Antworten wie: Vögel, Würmer, Frösche oder Eidechsen. Ein bereits älterer Junge sagte ernsthaft: Kaninchen? Da hätten sie mal hören müssen, wie sich einige Kinder empörten.
Mein besonderes Erlebnis war jedoch ein anderes und eher aufregend für mich. Auch für die Kinder, aber anders aufregend. Wir kamen auf unserem Weg auch an einem Maisfeld vorbei. Alle wollten gleich in den hohen Maispflanzen verschwinden. Ich sagte, sie dürfen parallel dazu in den goßzügig angelegten Maisreihen nebenher gehen. Das haben sie aber falsch verstanden. Schuppdiwupp waren sie weg. Erst dachte ich noch daran, wie gerne ich selbst als Kind durch die Reihen ging, aber dann kam mir der Gedanke: Oh Gott, was ist, wenn die jetzt quer durch das Feld gehen und vielleicht den Ausgang nicht mehr finden? Ich kenne diese Kinder ja noch nicht richtig und kann sie kaum einschätzen. Ich bekam ein mulmiges Gefühl und scholt mich innerlich für meine großherzige und kinderfreundliche Entscheidung. Ich rief nach ihnen, einige kamen auch gleich zurück, andere blieben „verschollen“. Als sie dann wieder „auftauchten“, waren sie stolz, sie freuten sich und hoben trophäenmäßig die Arme in die Luft. Das Abenteuer hat ihnen gefallen. Ich konnte sie einfach nicht schelten, war erstmal erleichtert, aber wir besprachen die Situation.
Über Nacht kam mir der Gedanke, dass ich diese Situation noch einmal wiederholen sollte. Ich wollte gemeinsam mit ihnen das Maisfeld entdecken. Die Kinder freuten sich über meinen Entschluss. Wir suchten eine passende Stelle und dann schlichen wir gemeinsam durch den Mais. Es war ein echtes Abenteuer, manche blieben bei mir, quasi um mich zu beruhigen und als wir am anderen Ende auf die Straße kamen, waren wir alle ganz glücklich, so wie früher in meinen Kindertagen.
Das zweite Erlebnis ist ganz anders, aber ähnlich aufregend. Auf unserer Erkundungstour kamen wir auch am Kiesbagger der Firma Rohr vorbei. Ich konnte erzählen, wie man dort auch Knochen und Zähne der letzten Eiszeit bei der Auskiesung findet. Wir trafen einen Mitarbeiter der Firma Rohr und er sagte uns, dass wir am nächsten Tag mal auf dem einen großen Hügel nach fossilen Resten suchen dürfen. Da war die Begeisterung groß.
Und so war gestern am Freitag für viele Kinder und natürlich auch für mich der Gang zum Kieswerk Rohr, mit klaren Regeln, wie man sich dort zu verhalten hat, der Höhepunkt der Woche. Zwei Kinder fanden einen Zahn, viele Knochenreste und manche auch Elfenbeinreste. Alle waren begeistert beim Suchen und freuten sich über ihre Funde. Fast ehrfürchtig betrachteten sie ihre Schätze. Steffi war ein bisschen enttäuscht, weil sie nichts gefunden hatte. Da bekam sie von Nils einen kleinen eiszeitlichen Knochen geschenkt, worüber sie sich sehr freute und sie sich bei ihm im Abschlusskreis bedankte. Er freute sich, war fast verlegen. Damit hat er nicht gerechnet. Ich habe mit ihm hinterher gesprochen. Er konnte gar nicht glauben, dass er jemanden damit eine Freude machen konnte.
Wie oft machen wir anderen eine Freude? Versuchen Sie es mal mit Dingen, die man nicht kaufen kann.
Danke!
Genial gebloggt!
Danke erhard, aber was verstehst du unter genial gebloggt? ich arbeite ja an mir. ich schreibe mittlerweile gerne, weil es auch eine dokumentation ist, weil ich damit meine gedanken sortiere und weil ich mich auch freue, wenn sich jemand für unsere arbeit interessiert.
Ja, das meine ich ja. Ich merke deinen Artikeln die Freude an die es dir bereitet über eure Arbeit zu schreiben und dir selbst auch die Möglichkeit zu geben die tollen Momente die im Strß oft untergehen nochmal nach zu vollziehen.
P.S.: Leider krieg ich momentan keine Meldung wenn ein neuer Blogeintrag von dir geschrieben wurde. Deshalb meine „verspätete“ Rückmeldung. Ich muß mal schauen woran das liegt.