Erfahren, wie es in der Steinzeit war, das war es, was die drei Kids Luis, Jonas und Henry antrieb, sich zur Steinzeitwerkstatt anzumelden. „Na, dann lassen wir uns mal auf dieses Abenteuer ein“, dachte ich auch, denn ich wollte heute unbedingt dabei sein. Wir hatten Glück, „unseren“ Wildnislehrer Wilfried Reichenbach mal ganz für uns alleine zu haben. Am Anfang nahm er noch kaum Notiz von uns. Er war mit Vorbereitungen beschäftigt. Eine erste Aktion sollte die Herstellung von Birkenpech sein. Wir folgten ihm in unseren Wildnisbereich „Willi Wildnis“, den Kinder vor Jahren diesen Namen gaben.
Wie man auf den Bildern sehen kann, erwartete uns wirklich eine kleine Wildnis. Wilfried hatte bereits ein Loch ausgehoben und eine Konservendose reingestellt. Fragende Gesichter bei uns Schülern. Jetzt erfuhren wir, was uns heute erwarten würde. Wir werden einen Speer herstellen und die Spitze mit Birkenpech haltbar machen, wenn man das so ausdrücken darf. Ich konnte mir immernoch nicht vorstellen, wie man aus Birkenrinde Pech herstellen können sollte, also durfte ich das Geschehen keinen Augenblick aus den Augen lassen. Die Kinder befüllten den Behälter bis zum Rand. Deckel drauf. Und rein in die Grube und die Erde herum fest angedrückt. Was mir an Information im Vorfeld entgangen war – die große Dose hatte unten ein Loch, von da aus sollte das „Pech“ in die kleine Dose fließen. Unfassbar.
Wir sammelten gemeinsam Rinde und kleine Stöcke, um unser Feuer, welches als Brennmaterial um die große Dose gelegt wurde. Es funktionierte gleich und nun hatten wir Zeit, um uns anderen Aufgaben zu widmen. Stöcke mussten geschnitzt werden. Wilfried schärfte inzwischen seinen Blick. Er hielt Ausschau. Aber nach was? Wir waren doch in seiner Nähe. Er griff zum Spaten und grub die Wurzel der großen Klette aus. Sofort waren die Kinder bei ihm. „Was machst du da“? „Wieso machst du das“? Wilfried blieb geduldig. Er erklärte ihnen, dass man diese Wurzel der großen Klette essen könnte. Wir würden sie am Feuer rösten und könnten sie dann abbeißen wie eine Karotte, obwohl sie eher wie eine Schwarzwurzel schmecken würde.
Wilfried war immer noch auf der Suche. Die Kinder legten ihr Schnitzmesser ab und folgten ihm. „Ich brauche einen Sonnenschutz für meinen Kopf. Es ist so heiß.“ „Wir auch“, hieß es gleich wieder.
Und natürlich war seine kleine Exkursion damit noch nicht beendet. Er kniete sich auf den Boden, weil er Spitzwegerich entdeckte. „Hier“, sagte er, „dass könnt ihr gebrauchen, wenn euch mal was gestochen hat oder wenn ihr eine kleine Verletzung habt“. „Ausquetschen und auf die Wunde geben. Das hilft.“ Sofort mussten alle Drei sich absuchen, ob da nicht schon eine kleine Verletzung vorhanden sein könnte. Wir bekamen auch noch die Vorzüge von Gundermann, dem kleinen Ampfer, der Taubnessel oder der Schafgarbe vorgestellt. Auch die Pflanze mit den schönen blauen Blüten zeigte er ihnen. Das ist auch eine Veronika, erklärte er ihnen. Sie schauten mich dabei an. Sie hatten verstanden.
Luis sagte, „ich hätte nicht gedacht, dass mir jemals grüne Blätter schmecken würden“. Der Sauerampfer war besonders gefragt, aber die Schafgarbe wurde gleich wieder ausgespuckt.
Zurück am Feuer empfing uns große Hitze. „Ich hab was entdeckt, womit ihr eure Stirn kühlen könnt“. „Ach was“, dachte ich, bei der Hitze gibt es nix Kühlendes hier auf der Wiese“. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Das Blatt des großen Ampfers auf der Stirn sei um fünf Grad kälter als alles andere drum herum. Und genau so empfanden wir das auch. Wie sagte Jonas gleich? „Meine ganze Schwitze ist weg“. Was dieser Mann alles weiß.
Die Wurzel war langsam fertig geröstet. Fast erfurchtsvoll schauten die Kinder zu, wie er die Schale entfernte und das weiße Fleisch zutage kam. Sie probierten wirklich alles.
Bei dieser Gelegenheit war mal wieder Fragestunde angesagt. „Was machst du eigentlich“? „Ist das dein Beruf“? „Hast du schon mal länger ohne richtiges Essen in der Natur gelebt“? „Wie lange könntest du ohne richtiges Essen überleben“? Die Antwort darauf von Wilfried fand ich trocken und ehrlich. „Naja“, sagte er, „nach einer Woche würde ich mir mal wieder was richtiges zum Beißen wünschen, aber es würde schon gehen“. Ich weiß, er braucht auch Fleisch. Mit seinem Speer könnte er mindestens schon mal, falls er großen Hunger hätte, einen Hirsch erlegen, sagt er.
Die Speere der Kinder würden dafür nicht taugen, sie waren auch nicht wirklich daran interessiert. Während Henry und Luis wohl schon richtige Erfahrungen mit dem Messer gemacht hatten, ist Jonas wohl eher das Sportgenie, wie er zu Beginn erklärte. Es war für ihn anfänglich sehr schwer, nicht gleich den ganzen Stock kurz und klein zu schnitzen. Ich sagte ihm: „Stell dir vor, dass ist die Haut einer Frucht und du müsstest ganz vorsichtig die Schale entfernen“. Er konzentrierte sich und siehe da, es klappte. Er war richtig stolz auf sich.
Jetzt musste Wilfried nur noch überprüfen, ob die Stöcke auch alle gerade sind, damit sie gut fliegen können.
Die Dose auszugraben und nachzuschauen, wie viel Birkenpech gewonnen wurde, hatten wir fast vergessen, so spannend war das Leben rundherum um die Feuerstelle. Wir beobachteten wie unser Lehrer die große Dose aus der Erde entfernte und schauten ganz gespannt auf den Inhalt. Naja. Klein aber fein. Für unsere Speere würde es wohl reichen.
Doch die Fertigstellung geschieht erst beim nächsten Mal. Die Kids hatten den Auftrag ihren Stock mit nach Hause zu nehmen und ihn richtig glatt zu schmirgeln.
Jetzt musste Wilfried zum Schluß noch ein Versprechen einlösen. Er hatte selbst seinen Speer dabei und es gab für jeden die Gelegenheit, ihn auszuprobieren. Meine Güte, die hatten eine Power. Bei allen Vieren flog der Speer richtig weit.
Jetzt wollten sie ihren Rohling noch testen und auch das gelang.
Es war ein gelungener Ausflug in die Zeit der Steinzeitmenschen. Danke Wilfried, wir haben viel gelernt und es war so entspannend.