Gerade eben habe ich wieder was gelernt. Zwei Hunde begegnen sich in unserem Haus. Sie mögen sich. Das konnte man nicht nur sehen. Im Gespräch mit der Hundehalterin erfuhr ich etwas über den Wert der Hundeerziehung und über Fehler, die sie anfänglich gemacht hat. Mir hat besonders imponiert, wie tiefenentspannt der Hund vor uns lag. Er streckte alle Viere von sich. Voller Vertrauen.
Warum schreibe ich das?
Weil ich noch immer tief bewegt von meiner ersten Begegnung im neuen Jahr mit den Kindern der Gruppe: „Kinder stärken“ bin. Das verbindende Element ist das Wort Vertrauen.
Wir verbringen nur vier Stunden miteinander. Es kommt mir aber vor, als unternähmen wir an diesem Nachmittag zusammen eine Reise. Eine schöne Reise. Eine Reise, auf dem Weg zu uns selbst.
Die Begrüßungsrunde hat es dabei immer in sich. Hier wird festgelegt, wohin die Reise gehen wird. Elias, ein Junge, der schon ein paar Jahre dabei ist, kam schon recht aufgewühlt bei uns an. Der Schultag hatte es in sich. Er wird häufig wegen seines Namens gehänselt. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Am liebsten würde er seine Fäuste gebrauchen. Das Problem kennen auch andere.
Sofort entsteht eine angeregte Diskussion. Es gibt Kinder, denen geht es ähnlich. Es gibt aber auch Kinder, die sind einen Schritt weiter. So auch Lukas. Er erzählte aus seiner Zeit, die schon ein paar Jahre zurückliegt. Es gab da einen Jungen, der hätte es fast geschafft, dass er nicht mehr in die Schule wollte. Doch inzwischen sind sie Freunde! Echte Freunde. Lukas erinnerte sich laut, wie er das geschafft hat. Elias wurde nachdenklich. Ihm wurde klar, dass er nicht seine Fäuste einsetzen muss, um akzeptiert zu werden, sondern es liegt an seiner Einstellung zu sich selbst.
Diese Situation hat so viel ausgelöst. Es herrscht großer Redebedarf und auch viel Solidarität. Auch das Herz öffnet sich, für den eigenen persönlichen Schmerz oder die persönliche Kränkung. „Vor mir laufen alle weg, ich finde keinen Freund, der mit mir zusammen spielen will“, sagt Jan laut, fast verzweifelt, in den Moment der Stille hinein. „Ich kann machen was ich will“. „Meist kriege ich sogar noch Ärger, und verschlimmere die Sache.“
Ich persönlich kann mir gut vorstellen, wie sich ein Konflikt bei ihm aufbaut. Ich kenne ihn lange genug, aber auch gut genug um zu wissen, wie sich das Geschehen zu einem Drama entwickeln kann. Jan ist sehr naturverbunden, kreativ, intelligent und meiner Meinung nach hochsensibel. Er ist aber auch ungeduldig, fordernd und manchmal überschätzt er sich und andere dabei. So können Situationen entstehen, die Konflikte in sich bergen. Kinder können ihm nicht immer gleich folgen, oder fühlen sich nicht miteinbezogen oder gar über den Tisch gezogen. Will er nur Chef sein? Nein, will er nicht. Er hat gute Ideen, er hat ein sehr gutes Herz, er ist ein Macher, aber auch ein Bestimmer. Das macht halt manchmal dann auch einsam. Wenn er sich zurück gewiesen fühlt, dann bauen sich negative Gedanken und Gefühle auf. Die entladen sich. In Wort und Tat. Sag das mal einem Kind!
Hier gibt es für ihn viel Raum. Für alles. Er strolcht durch die Hecken, verweilt Stunden am See oder bereichert mit seinem Einfühlungsvermögen und seinem Sprachschatz viele Gespräche, die Tiefgang haben. Vor kurzem sagte er einem Kind: „Hey, entspann dich. Du bist im Naturschutzzentrum, vergiss das nicht. Da kannst du sagen, was du denkst.“
Dieses Mal bat ein Mädchen um ein Gespräch unter vier Augen. Ich kenne ihre Problematik. Heute wolle sie mutig sein und mit ihrem Anliegen die Gruppe informieren. Wirst du mich unterstützen?, fragte sie mich. Sie wirkt nach außen so stark, so wild, so offen, so glücklich. Aber wie schon angedeutet. Sie wirkt so. Es schlagen zwei Seelen in ihrer Brust. Sie kämpft auch mit Vorurteilen, Mobbing und Kränkungen.
Wir warteten die Zeit nach dem Essen am Feuer ab. Alle waren wir zufrieden um das Feuer versammelt. Ich übernahm die Ankündigung und dann sprach sie voller Vertrauen drauf los. In dem sicheren Gefühl, dass ich aufpasse, dass alles gut verläuft. Man spürte, wie sie sich ihre Sorgen und Anspannung von der Seele redete. Und niemand lachte und niemand störte ihre Gedanken oder wandte sich ab.
Erleichtert stellte sie fest: „Wenn ich hier bin, dann fühle ich, dass wir alle gleich sind. Auch mit den Tieren. Es kommt mir so vor, als seien wir eine Herde Wildpferde. Hier muss man nichts machen, um was zu machen.“
Upps! Das musste ich für mich erst einmal wiederholen. „Hier muss man nichts machen, um was zu machen“. Das sagte ich wohl laut und bekam auch gleich von einem Kind neben mir prompt die Antwort. Ist doch logisch. Wir müssen hier nichts machen, wir entscheiden selbst, was wir wollen und dann ist alles gut. Ist das wirklich so einfach?
Wenn ich Gerhard am Abend von meinen Erlebnissen erzähle, gerade bei Begegnungen mit Kindern, auch bei den Ferienspielen, dann sagt er immer, dass er etwas „neidisch“ ist. Natürlich nicht wirklich, aber ich kann gut verstehen, wie er das meint.
Wir Erwachsenen können untereinander nicht mehr so vertrauensvoll miteinander reden oder umgehen. Wir müssen immer überlegen, was wir sagen oder besser nicht sagen. Wir merken gar nicht mehr, wenn wir aus einer Kränkung heraus „über“ reagieren. Also beleidigt sind oder Macht demonstrieren müssen.
Ich habe mir in den letzten Tagen deshalb mehrmals vorgestellt, was ein Präsident Trump den Kindern mitteilen würde, wenn er mal wirklich sagt, wie er sich fühlt. Worüber er sich als Kind gefreut hat, was ihn geärgert hat. Und sie würden ihn zu einem Test einladen. „Donald“, würden sie sagen, „wir testen erst mal deinen Selbstwert“.
„Keine Angst, das macht die Veronika auch immer mit uns“. „Also, es gibt eine Skala von Null bis Zehn“. „Null bedeutet: ohne mich kann die Welt gut leben und zehn bedeutet: die Welt braucht mich, ich bin ein Held“! „Wie würdest du dich einschätzen, Mister Präsident“? Dann würde er vielleicht sagen: 9,8. (Zehn traut er sich nämlich nicht zu sagen). Dann würden die Kinder wissend schmunzeln.
In ihrer Gegenwart würde er vielleicht lernen, worauf es wirklich ankommt. Welche Macht wirklich glücklich macht. Er will gesehen und wertgeschätzt werden. – Nur nicht auf diese Art und Weise, Mister Präsident.
Ich habe keine Bilder mit Nahaufnahmen von diesen Kindern genommen. Auch die Namen sind verändert. Aber ich kann Ihnen eines sagen: von diesen Kindern könnten wir alle noch was lernen. Das sind die wahren Menschenfreunde. Erfassen wir sie mit unserem Herzen.