Bevor mich der Alltag im NZB wieder voll beansprucht, möchte ich meine angekündigte zweite Etappe des Reiseberichtes auf dem Franziskusweg mit Ihnen teilen.
Es ist nicht wie mit der Erinnerung an einen Urlaub. Es ist mehr. So manche Situation und Begebenheit kommt immer wieder hoch, meldet sich zu Wort und gewinnt erst jetzt an Bedeutung.
Es wird mir klar, es war nicht nur eine Reise durch die Landschaft Umbriens und der Toskana, es war auch eine Reise zu mir Selbst.
Es sind die Gegensätze, die ich immer wieder erkenne und die mit meinem Lebensmotto zusammenhängen: Mensch und Natur im Gleichgewicht.
Es ist das Wahrnehmen der kleinen Blume am Wegesrand und das Aufnehmen der großen Weite auf einem Gipfel oder Bergkamm.
Es ist die wohltuende Stille in den Wäldern und das pralle, teils hektische Leben in der Stadt.
Es ist das unbeschwerte, fast meditative Gehen auf den Wegen, aber auch der harte An-beziehungsweise Abstieg auf rutschigem Boden. Es ist die Sonne, die Wärme, der erfrischende Wind, aber auch der Regen und die Kälte.
Es ist der Moment der Erschöpfung am Abend und der Gedanke: „Wie soll ich bis Morgen wieder fit sein und Lust haben weiterzulaufen“ – und der Gedanke am Morgen: „Ich bin bereit, mal sehen wohin mich meine Füße heute tragen werden“.
Es ist der Wunsch nach Einsamkeit und Wortlosigkeit, genauso wie der Wunsch nach Nähe und Austausch.
Ich könnte noch viele Beispiele bringen.
Außerdem habe ich Situationen in meinem Kopf, die vergleichbar (natürlich im übertragenen Sinn) mit dem normalen Geschehen des Alltags sind.
Ein Beispiel. Ich orientiere mich an meinem Plan. Ich halte mich förmlich an der Wegbeschreibung fest. Ich denke, es gibt nur diesen einen Weg, um dorthin zu kommen. Ich kann mich kaum auf das Einlassen, was rechts und links neben mir passiert. Ich verpasse sozusagen im besten Falle die Freude am Augenblick und das Leben.
Fazit: Ich brauche eine Übersicht, eine Karte oder einen Kompass für das große Ganze. Das gibt Sicherheit. Mir fehlte oft diese Sicherheit. Ich fühlte mich ausgeliefert, auf Andere angewiesen und manchmal auch hilflos. Rituale, und das Verbinden mit Anderen (Team) halfen mir aus diesem Dilemma. Vor allem das Verbünden mit Menschen, das Erkennen und Nutzen der unterschiedlichen Fähigkeiten und das gegenseitige Vertrauen gaben mir ein beruhigendes Gefühl.
Ich wollte ja unbedingt alleine gehen, damit ich in meinen Rhythmus kommen und auch bleiben kann. Was nützt das aber, wenn man vor lauter Angst sich zu verlaufen, nur noch schneller geht, um anzukommen. Ich habe schon ein paar Tage gebraucht, bis ich zu dieser Erkenntnis kam und die Weggefährten, die ich ja bereits kennenlernen durfte, fragte, ob wir gemeinsam weitergehen können.
Ich wollte auch niemanden zur Last fallen, d.h. ich befürchtete, dass ich weniger Kondition hätte als andere und sie dann auf mich warten müssten… Wie albern der Gedanke! Besonders stolz bin ich natürlich im Nachhinein auf meine gemeisterten persönlichen Herausforderungen. Ich verlaufe mich, komme aber ohne fremde Hilfe aus – und erreiche mein Ziel. Ich stehe unten am Fuß eines Berges, weiß um die zu bewältigenden Höhenmeter und denke: „Da komm ich im Leben nie hoch oder an – und dann das erhebende Gefühl, wenn ich es geschafft hatte.
Oder – die deutliche Erschöpfung des Körpers zu spüren, der sagt: „Es reicht“. Dann kommt man jedoch an das nächste Schild mit dem Hinweis: „Noch zwei Stunden bis …“ (Tagesziel).
Immer bin ich angekommen. Nie habe ich daran gedacht abzubrechen, aber manchmal kam mir schon der Gedanke: „Also wenn jetzt hier um die Ecke eine Bushaltestation wäre… dann würde ich sofort einsteigen“. Und hätte ich die Gelegenheit gehabt – ich wäre eingestiegen!
Heute bin ich jedoch froh, dass ich keine Wahl hatte. Es zeigt mir, wieder im übertragenen Sinn, dass wir manchmal einfach (weil wir die Möglichkeit dazu haben, und es uns schönreden), zu früh aufgeben, aussteigen, einsteigen… wie immer auch man das nennen mag.
Dranbleiben und Durchhalten, das sind für mich Zauberworte des Erfolgs.
So habe ich, auf meinem Weg von Florenz bis Assisi erkannt und erlebt, dass es sich lohnt, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, dass man nie zu alt ist für Abenteuer, dass es gut ist, nicht immer zu wissen, wohin man am Abend sein Haupt bettet, dass man flexibel ist und bleibt, dass man andere um Hilfe bittet, dass man Tränen zulässt, wenn man sie spürt. (Das kann vor Glück aber auch vor Wut sein). Ich habe mehr als einmal laut Sch…… gesagt, ich habe aber auch oft gelacht und laut gesungen.
Ich weiß, dass ich gut mit mir selbst klar komme, ich weiß, dass ich an einer Sache dranbleiben kann und durchhalte, ich weiß, dass ich körperlich fit bin und ich weiß die Nähe von Menschen zu schätzen, die (manchmal auch nur für eine bestimmte
Weile) meine Wegbegleiter sein möchten oder könnten.
Die Bilder sind auf meinem Weg entstanden. Wer mich kennt, weiß, dass ich kaum ohne Kamera das Haus verlasse, aber die schönsten Bilder, die ich dieses Mal gemacht habe, sind doch mehr in meinem Herzen. Vieles lässt sich nicht einfangen. Dennoch schenke ich Ihnen ein paar Eindrücke.
Für alle, die dieser Weg persönlich interessant werden könnte, ihn zu gehen, biete ich an, mein Wissen und meine Erfahrung zu teilen.