Ferien! Verkehrte Welt. Als Kind bedeutete das Wort für mich: Auszeit, Freiheit, Nichtstun. Abtauchen, am liebsten unsichtbar sein.
Seit meiner Tätigkeit hier im NZB ist das etwas anders. Jetzt kommen Kinder zwischen 6 und 14 Jahren zu uns. In den zwei Wochen Osterferien waren es fast 50 Kinder. Sie können sich darauf verlassen, dass ich ihnen auch dieses Gefühl von Freiheit und Sorglosigkeit vermitteln möchte. Genau so, wie ich es selbst immer empfunden habe.
An manchen Tagen bin ich so bewegt von den Ereignissen, dass ich gar nicht mehr wahrnehme, wie müde und anstrengend diese Verantwortung auch sein kann.
Ein paar besondere Momente teile ich wieder gerne mit Ihnen.
Über einen früheren Mitarbeiter bekamen wir Kontakt zu einem Jungen, dem keine besonders schöne Kindheit beschert war. Er hatte sofort mein Herz erobert. Sein Problem jedoch ist, dass er, geprägt durch seine Vergangenheit, einen Schlüssel riechen kann und dieser übt eine hohe Faszination auf ihn aus. Zu welchen Auswirkungen dies führt, das überlasse ich Ihrer Fantasie. Er träumt von einem großen Schlüsselbund. In seinem späteren Berufsleben würde er gerne Hausmeister einer Schlüsselfirma werden. Warum sind Schlüssel so wichtig für ihn? Er sagt, weil er sich dann sicher und mächtig fühlt. Das kann ich sogar nachvollziehen. Wir haben so manches Mal die Stirn gerunzelt, z.B. wenn zum xten Mal die Toilette abgesperrt war (ich wusste gar nicht, dass wir das könnten!), aber am Ende war alles gut. Ich hatte sogar zwei Schlüssel mehr an meinem Schlüsselbund.
Seinetwegen hatte die Gruppe die wunderbare Gelegenheit zu zeigen, wie es sich anfühlt, wenn alle zusammen halten. Von seiner Pflegemutter erfuhr ich, wie sehr sie sich darüber freue, dass er so einen großen Sandhaufen zum Buddeln vorfindet. Er solle nämlich, laut Therapeutin, wann immer es geht, Löcher graben. Er müsse graben, „bis zum Mittelpunkt der Erde“, damit er sich selbst finden kann. Ich bekam Gänsehaut bei diesen Worten.
Das war aber eine wichtige Aussage für uns als Gemeinschaft. Wir konnten ihn ja kaum abhalten, Löcher zu graben. Selbst ein Maulwurf darf bei ihm in die Lehre gehen. Jetzt verstanden wir mehr. Wir sprachen in der Gruppe darüber und ich fragte die Kinder, ob wir nicht mal mit ihm gemeinsam ein Loch graben sollten. Das haben wir dann auch getan. Alle Kinderbeteiligten sich, gruben mit oder ohne Schaufel und sicherten den Rand.
Seinen Blick, sein Lachen, seine Freude – das vergesse ich nie mehr.