Es gibt kaum Zeit zum Durchatmen. Ein Prinzip, welches wir ja hier besonders propagieren. Runterkommen, Tempo verlangsamen, Stresspotential mildern…
Aber von wem kann ich am Besten lernen, wieder einen Gang zurückzuschalten? Natürlich von den Kindern, meinen Vorbildern. So war das auch letzten Mittwoch. Die Pestalozzischule hatte sich mit einer zweiten Klasse angemeldet. Ihr Thema: Wiese.
Leider wurde meine Mitarbeiterin Birgit krank und so bekam ich zunächst erst einmal einen Schrecken und mein Adrenalinspiegel stieg.
Ich bin von Haus aus Pädagogin, aber natürlich durch Gerhard inzwischen auch etwas „gebildeter“ in Sachen Naturwissenschaft. Mich hat die Wiese schon seit längerem in ihren Bann gezogen. Meine Fragen an Gerhard bei einem Spaziergang zu dieser Jahreszeit drehen sich deshalb immer häufiger genau um dieses Thema.
Mit Kindern, Eltern und der Lehrerin traf ich mich zu Beginn im Schatten. Kurz sprach ich über das Naturschutzzentrum und seine Bedeutung als Lernort. Ich sprach auch davon, dass sich der Unterricht in der Natur wohl von den Unterrichtseinheiten in der Schule unterscheide. Deshalb laute auch unsere erste Lektion an diesem heutigen Morgen: Wolkengucken.
So legten sich alle auf den Rücken und wurden leise. Weiße Wolken zogen am Himmel ihre Bahn. Ich blinzelte ein bisschen, um zu sehen, ob sie sich darauf einlassen konnten. Und ich war erstaunt, wie lange sie den Wolken zusehen konnten. Einige sahen Mikadostäbe, andere wohl auch ein Kampfflugzeug und manche benannten einfach den Windhauch, den sie spürten und der die Wolken vorwärts trieb. Manche blieben ohne Worte.
Motiviert von dieser Übung wagte ich noch einen Versuch für eine weitere Lektion. Wir schalteten das Naturradio ein. Das geht gut. Probieren Sie es mal aus. Streifen sie Ihre Ohrläppchen aus, so dass sie richtig rot werden. Sie aktivieren damit das Hörsystem und hören viel mehr Geräusche als vorher. Es war ein einzigartiges Stimmenkonzert.
Für mich könnte jeder Tag mit so kleinen Achtsamkeitsübungen beginnen. Alle wirkten entspannt und waren aufnahmebereit für das große Wiesenabenteuer. Ich versuchte sie auf das Kommende einzustimmen, indem ich ihnen einige Wiesenbewohner vorstellte.
Da ich ja gerne in Bildern oder Geschichten rede, gefällt mir die Vorstellung, dass Blumen auf der Wiese mit ihren kräftigen Farben wie ein großes Reklameschild sind. Ihr Werbeslogan: „Komm zu mir. Hol meinen Blütenstaub. Zur Belohnung bekommst du etwas Nektar“. Es gab bereits pfiffige Kinder, die schon sehr viel wussten und einige Beiträge lieferten.
Dann merkte ich, dass sie jetzt genug „Futter“ hatten. Ausgestattet mit einem weißen Tuch und einem Lupenbecher zogen sie los. In alle Himmelsrichtungen. Zeit spielte ab diesem Augenblick keine Rolle mehr.
Ganz behutsam sammelten sie mal einen Käfer, mal eine Biene und gar eine Laubheuschrecke ein. Wenn wir nicht wussten, was wir im Glas hatten, dann nahmen wir unsere Bestimmungshilfen zur Hand.
Ein großer Käfer weckte die Aufmerksamkeit aller. Dieser Käfer mit den langen Fühlern saß auf der Stockrose. Wir konnten im Buch nur erkennen, dass es sich um einen Bockkäfer handelt. Das reichte uns aber nicht. So zogen wir in mein Büro. Wir fanden die Lösung. Es handelte sich um einen Moschusbock.
Eigentlich wollen die Kinder gar nicht unbedingt den Namen wissen. Es genügt ihnen, sie zu beobachten. In einer anschließenden Runde besprachen wir die Funde in den Döschen. Auf diese Weise konnten wir unser Wissen noch etwas erweitern. Wir erfuhren etwas über Wildbienen und Honigbienen. Damit unsere Gäste auch wieder in Freiheit entlassen werden konnten, nachdem sich jeder mit ihnen vertraut gemacht hatte, wurden die Deckel wieder gelüftet.
Gute Reise ihr guten Geister! Wir wollen euch achten und noch viel über euch lernen.
Ich hatte bereits am darauffolgenden Samstag, dem Tag der Artenvielfalt Gelegenheit, mein Wissen zu erweitern. Aber das ist eine neue Geschichte.